Wenn frankobelgisch Comics hier und da einen leicht angestaubten Eindruck machen ist dies bei „Maggy Garrisson“ aus der Feder von Lewis Trondheim und Stéphane Oiry, so ganz und gar nicht der Fall. Dieses Buch wirkt frisch, sieht gut aus und hat eine Kick-Ass Protagonistin. Dabei ist Maggy alles andere als die typische Ermittlerin, hat nicht die übliche Traumfigur und auch in der Art ihrer Ermittlungen ist sie doch eher unkonventionell. Hinzukommt dass sie in diese Branche eher zufällig stolpert, als ihr Chef, der eigentliche Detektiv, eines Tages zusammengeschlagen wird. Von der Aushilfssekretärin zur Ermittlerin über Nacht, wobei sie sich sehr gewitzt und immer charmant an das Lösen von Fällen macht. Der Charakter der Maggy ist etwas schrullig, aber gerade diese skurrile Herangehensweise an Probleme und Fälle macht dieses Buch eben zu etwas besonderem. Es ist diese Figur die man sich in einigen Jahren als Typ Miss Marple, gespielt von Margaret Rutherford, vorstellen könnte. Das alles spielt dann völlig überzeugend in London und das, obwohl sowohl der Autor als auch der Zeichner Franzose ist.
Lewis Trondheim hat ein Gespür für gute und glaubhafte Dialoge. Was mich sonst bei „frankobelgisch Comics“ etwas abschreckt, die Vielzahl der Dialoge, die Wortlastigkeit, ist hier nicht gegeben. Dieses Buch liest sich locker, flüssig und ist vermutlich gerade auch deshalb nur schwer aus der Hand zu legen.
Nicht ganz unbeteiligt ist natürlich das Artwork von Stéphane Oiry, obwohl sehr minimalistisch, ausdruckstark und beindrucken. Seine Bilder erzählen eine Geschichte und so fließen Text und Bild wahrhaft harmonisch zu einem visuellen Erlebnis zusammen. Oft kommen die Seiten im ganz klassischen 12 Panel Grid daher, wobei ganz selten einzelne Panel zu einem größeren verbunden werden. Es ist nicht die oft dass man in sich ruhende Panels außerhalb von Mangas antrifft, die kaum Bewegung enthalten und sich ganz auf die Körpersprache konzentrieren. Selbst die Farben sind gedeckt, lenken nicht ab, sondern betonen das gezeigte noch. Den „shabby Chic“ look der Seitengassen und Bars unterstreichen diese Bilder jedenfalls eindrucksvoll.
Auch wenn das Buch hier und an vermeintliche Vorbilder wie „Der Ruf des Kuckucks“ von Robert Galbraith und „Bridget Jones“ erinnert, würde eine Reduzierung auf diese Parallelen diesem Buch nicht gerecht werden. Zwei Franzosen fangen zwischen den Seiten das britische Flair gekonnt ein und liefern ein leicht melancholische, geistreiche Schnüfflerin, die Lust auf mehr macht. Eine Reihe die man im Auge behalten sollten und da behaupte noch einmal einer das frankobelgisch Alben-Format wäre antiquiert.
Viel Spaß beim Hören der Besprechung zu “Maggy Garrisson – 1. Lach doch mal, Maggy!“.
Maggy Garrisson – 1. Lach doch mal, Maggy!
Autor / Szenario: Lewis Trondheim
Zeichner: Stéphane Oiry
Hardcover: 48 Seiten
Preis: ab 14,99 EUR
Verlag: Schreiber & Leser
Link Tipps
Omni Visibilis CRFF229
Texas Cowboys CRFF221
Mehr von Lewis Trondheim auf Amazon und die Bücher zum Podcast:
Tipps aus dem Hause Schreiber & Leser die auf Amazon zu finden sind:
Franko-belgische bzw, europäische Produktionen sind für mich was Besonderes, wenn ich mich aus der Einöde der amerikanischen Mainstream Superhelden-Comics zurückziehe und mich „erneuern“ möchte. Klar es gibt auch dort richtig gute Autoren und Stories in diesem Bereich, die ich ebenfalls liebe, aber diese sind doch eher selten. Ich bin ja quasi mit den Superhelden sozialisiert worden und habe erst vor Kurzem meine Horizont Richtung Europa geöffnet. Hier gibt es wunderbare Schätze zu heben.
Wobei ich ja persönlich auch eher eben nicht „amerikanischen Mainstream Superhelden-Comics“ lese. Das Angebot ist auf dem US-Amerikanischen Markt diesbezüglich riesig, hingegen habe ich bei europäischen Comics eher, sicher als Vorurteil, das Gefühl, dass sie zu verkopft, episch und eben oft doch zu textlastig sind. Hingegen ist das Artwork bei diesen dann wieder eine ganz andere Kategorie, da merkt man den künstlerischen Aspekt und dass ein Album eben nicht in 1-2 Monaten entsteht. Ich will versuchen hier auf Comic Review nun doch immer mal eine paar europäische Perlen einzubauen und mir eingehend anzuschauen, den oft stehen einem Vorteile (wie meine) eben doch im Wege. Daher meine abschließende Frage, hast du ein paar Tipps 😉
Mal ein Tipp: Peter Pan Gesamtausgabe von Régis Loisel, den muss man einfach gelesen haben 🙂
Ein frankobelgisches Must-Read: Blast von Manuel Larcenet.
Ein absolutes Ausnahmewerk!
http://culturmag.de/crimemag/comic-manu-larcenet-blast/90014
Ich habe Blast auch in HDC037 vorgestellt. Wirklich richtig gut!
Maggy Garrisson werde ich mir mal anschauen. Danke für den Tipp.
Ich finde es wirklich gut, wenn man auch mal länger an einem Panel hängenbleibt um die Zeichnungen auf sich einwirken zu lassen und
viel Atmosphäre in einem Buch vorhanden ist.
Der Band ist heute bei mir angekommen. Ich habe mir die ersten Seiten schon mal durchgelesen. Schöne Episoden, leicht erzählt, viele kleine Panel, die auch als Zeichen der Beengtheit und Perspektivlosigkeit der Verhältnisse stehen können. Vieles an der Handlung wirkt konstruiert. Man schließt die Lady mit ihrer Coolness und Kaltschnäuzigkeit natürlich sofort ins Herz.
Es ist eine nachdenklich machende Geschichte über den Kampf um ein würdiges Leben. Viel Lokalkolorit und viel Einsamkeit und Verlorenheit.
Die Menschen in dieser Geschichte schienen alle nicht zueinander zu passen und leben meist allein z.B. die ältere Frau mit dem Kanarienvogel oder die Männer im Pub. Man kann sich hier schön in Englischer Trostlosigkeit baden. Erinnert mich ein bisschen an das Buch „Kes – a kestrel for a knave“ von Barry Hines.
Das Bild mit den kleinen Panel gefällt mir. Ja sicher etwas konstruiert ist die Handlung sicher, wenn auch flüssig, im richtigen Leben erlebt man diese Dichte der Ereignisse dann doch eher selten. Aber wie du schon sagtest, man kann fast nicht anderes als mit diesem Underdog Maggy zu fraternisieren. Richtig ist auch, dass alle eigentlich ihr Leben leben, ihr Ding machen und dieser komische Kauz kommt und verbindet sie dann doch.
Das Ende isr wirklich sehr versöhnlich und gut gelungen.
Was zurückbleibt ist ein Schimmer Hoffnung, dass die Welt vlt. doch nicht so schlecht ist, wie sie nach außen scheint und man anderen Menschen auch mal vertrauen sollte. Nicht immer, aber dann, wenn es darum geht eine Beziehung zueinander aufzubauen.
Danke für die schöne Besprechung, auch an Crackajack Jackson.
Wieder ein Comic, welches ich bestimmt im Comicladen hätte stehen lassen, jetzt werde ich auf jeden Fall mal einen Blick reinwerfen.
@Daniel: Würde ich super finden, wenn du ab und zu europäische Perlen einbaust. In der ganzen Flut von Erscheinungen, bekommen die guten europäischen Comics, dann doch meist zu weniger „Screen-Time“, um wirklich Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Danke Maurice.
Es ist gerade das Kleine, also dass es mal nicht darum geht mindestens die Welt zu retten, was dieses Buch so groß macht.