Opus, Band 1Bewertung 10 von 10

Wer Comic liest und sich auch etwas mit der Materie als Medium, Kunstform oder als solches befasst, wird früher oder später über Scott McClouds stolpern, den er hat inzwischen mehrere Bücher zum Thema verfasst, die man wohl getrost als Standardwerke der Comicliteratur begreifen kann ( z.B. “Comics richtig lesen”, “Comics machen” & “Comics neu erfinden”). Als Autor solcher Werke hat man dann natürlich keine leichten Stand, wenn man selber Comics schreibt und zeichnet. Man kann sich deshalb des Eindrucks nicht erwehren, das Kritiker umso begeisterter nach vermeintlichen Fehlern in seinem Buch suchen. Doch jeder der sich unvoreingenommen diesem Werk nähert und beim Lesen auch mal innehalten kann, die ganze Geschichte etwas reflektiert betrachtet, wird schnell merken, was für einen gelungenes, tiefsinniges und doch kurzweiliges Buch er in den Händen hält.
Vielleicht mag der Umfang, von immerhin fast 500 Seiten, auf den ersten Blick etwas abschrecken, aber in der Tat liest es sich leicht, flüssig und lässt trotzdem nichts an Tiefe vermissen. Das Buch wird oft mit dem Johann Wolfgang von Goethe “Faust” verglichen, was den einen oder anderes abschrecken mag und eher eine langweilige und langatmige Geschichte erwarten lässt. Weiter von der Wahrheit entfernt könnte man damit jedoch nicht liegen, zwar ist der Bezug zu Faust insofern richtig, als es um den “faustischen Pakt”, also den Pakt mit dem Teufel geht, aber damit hätte man die Vergleichsmöglichkeiten auch schon fast ausgeschöpft. Hinzukommt noch, dass auch “Der Bildhauer” einen philosophischen Unterton besitzt, die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Versuch zu klären, was im Leben zählt und wichtig ist. All dies packt McCloud in dieses Buch ohne sich dabei zu sehr in abstrakten oder auf der anderen Seite zu seichten Gedanken zu verlieren. Es ist eine Geschichte die zusammen mit dem Leser wächst, die ihren Fokus verschiebt und so von der reinen Welt der Kunst, deren Reflektion was ist Kunst und wird diese kommerzialisiert, zu einer natürlicheren Komponente, die zwischenmenschliche Beziehung, der Liebe und dem Leben allgemein. Diese Buch befindet sich im Fluss, man kann sich einfach berieseln lassen oder man kann dem Buch durch Innehalten und Nachdenken immer mehr Tiefe und Sinn verleihen.
Das Artwork ist eher einfacher Natur, schwarz, weiß und blau, gröbere und eher einfache Figuren und doch haben diese die Fähigkeit Emotionen zu wecken und ohne Schnick Schnack, eine Geschichte einfühlsam zu erzählen.
Insgesamt hat das Buch, fast typisch für McCloud, viele schöne Ideen, die sowohl in der Geschichte selbst, als auch im Artwork hervorragen umgesetzt wurden, die das Comic bereichern und gerade deshalb so interessant machen.
Ein Buch das sicherlich seine Fans auch bei Comic Neueinsteigern finden wird, gerade weil das Timing der Geschichte stimmt und die cineastische Erzählweise ein übriges tut.
Die Hardcoverausgabe ist mit Kapitelband, Spotlack und Prägedruck hochwertig aufgemacht und lädt ein, es auch haptisch zu entdecken.

Viel Spaß beim Hören der Besprechung zu “Der Bildhauer”.

Der Bildhauer
Autor: Scott McCloud
Zeichner: Scott McCloud
Hardcover: 496 Seiten, farbig
Preis: 34,99 EUR
Verlag: Carlsen

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Der Bildhauer

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7 Comments

  1. Ein sehr gutes und eindringliches Buch mit vielen Facetten.
    Warum die ersten Werke von David Smith nicht gut waren?
    Es hat in dem großen Raum sein eigenes, bis dahin mittelmäßiges, Leben dargestellt. Jede seiner Skulpturen war eine Station davon.
    Kunst soll aber über dem gemeinen und normalen Leben stehen.
    Besonders krass natürlich auch, dass David indirekt schuld am Tod des “Typen auf der anderen Straßenseite” war. Seine Werke haben ihn erschlagen. Alles hängt irgendwie zusammen. Selbst die ganzen Leute, die in die Küche kommen und alle was mit Meg hatten. Am Ende geht es dann nicht mehr um Kunst sondern nur noch um Liebe.

  2. Bei den Kunstwerken stimme ich ansonsten Helge zu.
    Man kann nicht in jedem Panel ein neues, grandioses Kunstwerk erschaffen.

  3. Das Buch ist durchdrungen von der Angst vor Mittelmäßigkeit.
    Einer der Kernsätze war für mich: Irgendwie weiss ich, das jeder draussenauf der Strasse genauso ein Möchtegernkünstler ist wie ich.

      1. Als euer Review rauskam, habe ich das Buch gleich nochmal gelesen. Ich war noch genauso gefesselt wie beim ersten Mal. Das spricht schon mal für das Buch.
        Ich lese ja hauptsächlich nur diesen Superheldenkram von Marvel und DC (+ diese Alisik Serie, die ja nun abgeschlossen ist). Von der Seite hätte ich mir gewünscht David hätte wirklich spektakuläre Sachen mit seiner Gabe gemacht. Darunter hätte die Geschichte natürlich gelitten. McCloud kann es besser als ich und hat von allem genauso viel reingetan, dass es passte, wie ein guter Koch. Man muss erst mal ein anderes Comic finden, dass genauso komplex ist, wie dieses. Im Superheldenbereich fällt mir da nur “Watchmen” ein.
        Von mir gibt es deshalb auch 10 Punkte. Hat er sich wirklich verdient, der McCloud.

  4. Natürlich geht es auch um die Künstlerszene und wie Kunst hervorgehoben wird. Einmal wird gesagt, Kunst wird unsterblich, wenn genug Leute es sagen. Das heißt Kunst ist nicht gut oder schlecht, sondern Kunst braucht Leute, die sie publik machen und fördern.
    Es kommt mehr auf die Verbindungen an, als auf die Kunst selbst.

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